Berliner Politik hautnah
Einige unverdrossene ZWARler der Politikgruppe haben sich auf eine politische Bildungsreise nach Berlin begeben. Jan wirft einen fragenden Blick zurück.
Vielleicht war die Anfahrt schon ein Fingerzeig auf das, was uns die nächsten beiden Tage erwartete: ein Laster hatte Salpetersäure über die A 2 verteilt und hunderte Helfer benötigten eine Vollsperrung der Autobahn um die Fahrbahn neu zu asphaltieren – und wir eine langwierige Umleitung. Erst nach fast 11 Stunden erreichten wir Berlin.
Durchgetaktete Betriebsamkeit
Am nächsten Tag beim ersten Programmpunkt ein ähnliches Bild: gefühlt mehrere hundert Bedienstete lenken Besuchermassen durchgetaktet durch den Bundestag. Hier ein minutengenauer Besuch der Parlamentssitzung. Bitte nicht klatschen und Fotos verboten. Dort ein Termin mit dem einladenden Bundestagsabgeordneten Jürgen Hardt, der fast jovial sein hartes Politikerleben schildert. Ein echter Austausch wird unmöglich. Fototermin auf dem Dach des Reichstagsgebäudes. Lächeln, Handshake, ab zum Bus.
Gut gelebt ist halb gegessen
Die folgende Verpflegung ist scheinbar vor allem eines: symptomatisch für das politische Berlin. Man lebt hier gut von den Besuchergruppen des Bundestages und zeigt das auch ganz offen in der ‚Ahnengalerie’. Gefühlt ein Gros an Bildern zeigen den Restaurantbesitzer stolz mit Politikern aller Couleur. Ähnliches werden wir auch in allen weiteren Essensstationen des zweitägigen Besuchs erleben. Hier wird Kasse gemacht, aber bestimmt nicht ohne die entsprechende Ausschreibung für Bewirtung von Gästen des Bundespresseamts.
Ab da wird es schwer, sich von pauschaltouristischen Vorurteilen und doppeldeuttigen Interpretationen freizumachen. Ist die grimmig folgende Aufpasserin bei der halbstündigen Führung durch die Räume der Wannsee-Konferenz Teil des Konzepts? Soll die Schiffsrundfahrt über den Wannsee bei Dunkelheit romantisch sein oder den Blick auf die Millionärsvillen verdecken? Ist die einzige wirkliche inhaltlich halbwegs politische Veranstaltung, ein Besuch des Berliner Abgeordnetenhauses, absichtlich so kurz? Und warum regnet es auf einmal so ausgiebig?
Es folgen Stadtrundfahrten, Museumsbesuche. Selbstverständlich alles “an politischen Punkten orientiert”. Man sieht andere Gruppen anderer Politiker. Man denkt sich: jeder der 709 Abgeordneten bringt so mehrmals im Jahr eine Busladung in die Bundeshauptstadt, mehrere Dutzend pro Woche. Politische Bildung oder Wirtschaftsförderungsprogramm?
Zurück in die Provinz
‘Hit the road, Jack. And don’t you come back no more.’ klingt es am Samstagmorgen aus den Lautsprechern des Busses. Wir sind auf dem Weg zurück in die politische Provinz. Dahin, wo keine Besuchergruppen die Zentren der Macht besuchen. Zurück zu den Schlaglöchern und Haushaltssperren. Gebildeter? Wohl kaum. Unzufrieden? Auch nicht. Gesättigt? Ganz sicher. Mehr von den vielen Buffets als vom politischen Input. Zufrieden? Wahrscheinlich sind das mehr Beteiligte als man so ahnt.
„Offizielles“ zu der Fahrt hier.