Hemingway: Der alte Mann und Mehr

Nach langer Vorbereitung diskutierte am 7.11.2019 in der Wiescheider Bibliothek die Literatur-Gruppe die Romane von Ernest Hemingway. Peter schildert uns seine Eindrücke.

Ulla hatte dazu aus ihrem Bücherschrank Hemingways „Gesammelte Werke“ zur Verfügung gestellt und vor ein paar Monaten in der Gruppe verteilt. Jeder hatte also einen anderen Roman gelesen und wir wollten uns gemeinsam ein Bild von Hemingways Schaffen machen und alle waren bestens vorbereitet. Zu dem guten Gelingen des Vorhabens trug auch die gemütliche Atmosphäre in der Schmökerecke der Bibliothek bei, die noch durch Kekse und heißen Tee aufgewertet wurde. Ein Danke den Schaffenden.

Hemingway im Rheinland

Im Zweiten Weltkrieg war Hemingway als Kriegsberichterstatter auch in Deutschland. Obwohl er bereits durch viele Konflikte ‚kriegserfahren‘ war, nahm ihn die britisch-amerikanische Offensive im Hürtgenwald besonders mit.

Mehr berichtet Thomas hier:

Mitte September 1944 standen die Briten und Amerikaner bereits am Westwall (südlich von Aachen), früher als gedacht, weil sie nicht auf ernsthafen Widerstand stießen. Dennoch hatten sie ein großes Problem: Der Nachschub musste über einen sehr langen Weg von den Häfen der Normandie herangekarrt werden. Der Vormarsch stockte und die Wehrmacht organisierte mit frischen Kräften aus dem Osten ihre Verteidigung. Die Alliierten waren außerdem für langwierige Kämpfe im Wald über einen längeren Zeitraum weder ausgebildet noch ausgerüstet. Zudem wurde es Mitte November sehr kalt in der Eifel und die Amerikaner stellten Mitte Dezember 1944 die den Angriff vorübergehend ein.

Hemingway war nur kurz an der Front, von November bis Dezember 1944, als er tief erschüttert abreiste. Seine Eindrücke fasste er erst 1950 in seinem Kurzroman ‚Über den Fluss und in die Wälder‘ zusammen:

„In Hürtgen gefroren sie alle einfach, und es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren. […] Die ganze Zeit über gab es Schnee und sonst was, Regen und Nebel. Stellenweise waren die Wege bis zu 14 Minen tief miniert, so dass man, wenn sich die Fahrzeuge in einer neuen Stelle Schlamm, in eine tiefere Minenschicht einwühlten, immer Fahrzeuge und natürlich auch die Leute, die darin waren, verlor. Die Deutschen hämmerten mir ihren Granatwerfern alles kurz und klein; im Wald war alles so ausgearbeitet und eingeteilt, dass die amerikanischen Soldaten immer geradewegs in einen Hinterhalt liefen.“

Denoch verherrlichte Hemingway den Krieg und er prahlte mit seinen Erlebnissen. Hemingway hatte ein fürchterliches Blutvergießen erlebt. Hemingway brachte eine Reportage über die Schlacht im Hürtgenwald nicht mehr zustande. Doch das „Schlachthaus“, wie er es nannte, ließ den zunehmend von jahrzehntelangem körperlichen Raubbaus und von exzessiver Trinkerei gezeichneten Schriftsteller nicht mehr los. Immer wieder berichtete er seiner vierten Ehefrau Mary von Albträumen, in denen ihn Wehrmachtssoldaten in den dunklen Eifelwäldern einkesselten.

Biografie von Ernest Hemingway

Ein literarisches Werk versteht man am besten im Kontext der Lebensgeschichte des Autors mit den Umständen seiner Zeit. Thomas führte uns deshalb durch eine extra kurz gefasste Biografie.

Ernest Hemingway wurde 1899 in Oak Park, Illinois, geboren und starb 1961 in Ketchum, Idaho, wo er sich nach schweren Depressionen und langer Krankheit selbst erschoss. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie mit vielen künstlerisch begabten Vorfahren. Er studierte und begann mit 18 Jahren als Lokalreporter das Schreiben. Reisen waren für ihn kein Problem. So hielt er sich häufig in verschiedenen Ländern Europas und Afrikas auf, nahm als Rot-Kreuz-Helfer, Berichterstatter oder Widerstandskämpfer an verschieden Kriegen und Schlachten teil. Aus der elterlichen Erziehung hatte er die Vorlieben für Jagen, Fischen und Segeln übernommen und fügte dem z.B. die Liebe zum Stierkampf hinzu. Alle Leidenschaften pflegte er auch auszuüben und in aller Ausführlichkeit zum Gegenstand seiner Romane zu machen. Bei seinen Kriegserfahrungen und Abenteuern, z.B. bei der Großwildjagd, wurden ihm Freunde und Kameradschaft wichtig. Er pflegte Freundschaften u.a. zu Gertrude Stein und Mark Twain, die ihn maßgeblich in seinem Romanstil beeinflussten.

Hemingway war viermal verheiratet und hatte aus zwei der Ehen fünf Kinder.

Werke und Erfolge

Neben vielen Kurzgeschichten hat Hemingway Romane geschrieben, die ausschließlich Gegenstand unserer Diskusssion waren. Viele Romane sind dem Namen nach sehr bekannt und einige wurden auch verfilmt. Ein paar Beispiele mögen genügen, die schon vom Titel her an seine Biografie anknüpfen.

  • The Sun Also Rises (dt. Fiesta), 1926 – Roman über Nachkriegsgeneration in Europa.
  • A Farewell to Arms (dt. In einem andern Land), 1929 – Roman aus dem Ersten Weltkrieg.
  • The Green Hills of Africa (dt. Die grünen Hügel Afrikas), 1935 – Geschichte aus Afrika.
  • For Whom the Bell Tolls (dt. Wem die Stunde schlägt), 1940 – Roman aus dem Spanischen Bürgerkrieg.
  • The Old Man and the Sea (dt. Der alte Mann und das Meer), 1952 – Novelle aus Kuba.
  • Islands in the Stream (dt. Inseln im Strom), postum 1970 – Roman über die Karibik, seine Söhne und den Krieg.
  • True at First Light (dt. Die Wahrheit im Morgenlicht), postum 1999 – Beschreibung von Hemingways letzter Safari in Afrika.

Für „Der alte Mann und das Meer“ erhielt er 1953 den Pulitzer-Preis und ein Jahr später den Literaturnobelpreis.

Die Besprechung

I: „Ich konnte das Buch nicht zu Ende lesen. Es war so langweilig. Und dann wird z.B. minutiös und detailliert das Ausweiden eines Rhinozerosses beschrieben, das Reinigen der Därme und die Verteilung des Inhalts an andere Tiere. Das brauche ich nicht.“ P: „Jetzt erinnere ich mich, warum mein Lesezeichen noch in der Mitte des Buches liegt. Mir ging es genau so. Um Zeit zu sparen, habe ich mir dann den Film angeschaut.“ G: „Genau so deutlich wird das Töten des Stiers im Stierkampf beschrieben. Fast schon wie in einem Sachbuch.“ P: “ Töten und Selbstmord ist ein wichtiges Thema in meinem Buch gewesen. Da geht es um Revolution und Krieg, in dem Töten unvermeidlich ist. Aber es wird auch die Frage nach der Vergebung der Schuld gestellt.“ I: „Töten nicht um des Tötens willen, sondern als Folge einer Jagd.“

Peter erklärte dann in groben Zügen den Erzählstil von Hemingway, der als Eisbergmodell mit einem eigenen Namen versehen wurde. Sprachlich verwendete Hemingway einen lapidaren Schreibstil mit überwiegend kurzen Sätzen, was unseren Eindruck von Langeweile noch verstärkt hatte. Wir konnten zusammentragen, dass es in den gelesenen Büchern mehr oder weniger vollständig um die Themen Jagen und Töten, getötet werden und suizid begehen, Einsamkeit und Kameradschaft, ein erfülltes Leben und die Liebe geht. Peter las dann aus Wem die Stunde schlägt einige Stellen vor, die markant du den Themen oder dem Schreibstil passten.

Ulrike konnte auf eine Jubiläumsausgabe zum 50. Jahrestag der Nobelpreisvergabe zurückgreifen und uns die Begründung vorlesen. Auch die Mitnominierten sind seitdem bekannt, von denen einige später auch bedacht wurden.

Einhelliges Fazit ist, dass Ernest Hemingway nicht unser Lieblingsautor ist. Die Kriterien der Nobelkommission, die gerade für Hemingway sprachen, haben uns als Leser eher missfallen.

„Es glaube doch nicht jeder, der imstande war, seine Meinung von einem Kunstwerk aufzuschreiben, er habe es kritisiert.“

Marie von Ebner-Eschenbach

Vorschau

Am Ende stellte sich die Frage, auf was wir uns für das (über-)nächste Gespräch vorbereiten wollen. In Anbetracht der Ereignisse der Woche, 30 Jahre Mauerfall, kam die Idee auf, sich der Literatur über Deutschland nach 1989 zu widmen und dabei die unterschiedlichen Sichten auf und aus Ost und West zu betrachten. Genaues werden wir noch bis zum nächsten Termin, dem 16. Januar, festlegen.

An diesem Nachmittag berichtet uns unser ZWAR-Kollege Wolfgang Jumpertz aus eigener Erfahrung darüber, wie man ein Buch schreibt und es veröffentlicht.
Aber vorher gibt es noch am Donnerstag, den 28.11.2019, die 5. Lesung von Frau Nußbaum: „Frieden in der Literatur von der Antike bis heute“.
Zu beiden Terminen sind alle herzlich in die Bibliothek eingeladen.

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